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Transgenerationales Trauma

Wie erkennt man transgenerationales Trauma?

 

Grundsätzlich ist es erstmal ganz normal und natürlich, dass wir als Menschen bestimmte Anpassungsmechanismen oder Muster von unseren Ahnen geerbt haben. Die meisten Menschen wissen, dass einige Krankheiten vererbt werden oder dass die Wahrscheinlichkeit für bestimmte Krankheiten steigt, wenn sie im Familiensystem aufgetreten sind. Aber auch bestimmte Glaubenssätze oder Wertevorstellungen können von Generation zu Generation weitergegeben werden. Deswegen ist es manchmal schwer zu unterscheiden, was wir vielleicht "einfach" von den eigenen Eltern oder aus unserer Erziehung übernommen haben - oder was noch tiefer in unserem Ahnensystem zurückliegt und teilweise auch noch im Verborgenen schlummert.

Ein transgenerationales Trauma ist weit mehr als nur ein "Muster", das Du übernommen hast. Meistens ist damit ein enormer Leidensdruck verbunden. Vielleicht kennst Du das Gefühl von großem Weltschmerz, überwältigender Einsamkeit oder es gibt ganz konkret Situationen, die Dir in Deinem Alltag große Schwierigkeiten bereiten - obwohl es sich nach außen um "keine große Sache" handelt. Interessanterweise kann man oft feststellen, dass der Leidensdruck bei transgenerationalem Trauma unverhältnismäßig zur realen Situation ist. Das bedeutet wie gesagt nicht, dass die Betroffenen "übertreiben" - ganz im Gegenteil: Die damit verbundenen Gefühle sind mehr als real für die Betroffenen. Es ist aber gleichzeitig ein Indikator, um aufmerksam zu werden. Manche Menschen kennen ein diffuses Gefühl von "Da stimmt doch was nicht" / "Das ist irgendwie merkwürdig" - vielleicht auch auf körperlicher Ebene mit Gänsehaut oder einer stark gefühlten körperlichen Resonanz verbunden - und manche können das Gefühl sogar noch präziser beschreiben als "Das gehört gar nicht zu mir" - vielleicht auch erstmal noch mit einem Fragezeichen versehen. Manche Menschen machen transgenerationales Trauma auch an bestimmten Ereignissen fest, die sich durch die Familiengeschichte ziehen - meist tragische oder schmerzhafte Ereignisse. Oft hat transgenerationales Trauma mit Familiengeheimnissen und Dingen, die über Generationen nicht ausgesprochen werden, zu tun. Aber auch Parallelen wie mehrere Generationen von alleinerziehenden Frauen oder der wiederholte Verlust von einem Besitz, wie z.B. einem Haus oder einem Business können mit transgenerationalem Trauma zu tun haben. Das sind alles nur Beispiele und natürlich ist nicht immer transgenerationales Trauma bei solchen Lebenssituationen im Spiel. Mindestens genauso wichtig wie das Muster oder das Ereignis selbst ist immer das damit verbundene Gefühl und auch der damit verbundene Leidensdruck - manchmal gibt es auch wie von selbst eine Art Sog bei Betroffenen, in die eigene Ahnenreihe oder Familiengeschichte zu blicken - manchmal entsteht dieser Sog auch erst im Prozess.

Wie unterscheide ich transgenerationales Trauma von Entwicklungstrauma?

 

Transgenerationales Trauma ist nicht immer trennscharf von Entwicklungstrauma zu unterscheiden - manchmal ist es auch sehr eng damit verwoben und manchmal können wir nicht mehr ausmachen, ob die Verletzung oder das Gefühl (z.B. Einsamkeit / Isolation / Weltschmerz / Angstzustände) nicht eigentlich aus einer prägenden Trennungserfahrung in der frühkindlichen Zeit heraus entstanden sind. Unter Entwicklungstrauma verstehen wir die vielen subtilen Formen von "Bindungsverletzungen", die wir fast alle in der Kindheit erleben - und die oft aus Unwissenheit oder Überforderung bzw. mangelnder Auseinandersetzung der Bezugspersonen mit eigenen Themen entstehen. Es bezieht sich z.B. darauf, wenn unsere frühen Hauptbezugspersonen emotional nicht gut oder nicht immer ausreichend gut zugänglich waren, wenn Gefühle unterdrückt werden mussten oder wenn Kinder emotionale Gewalt erfahren. Auch diese Dinge können natürlich einen transgenerationalen Kontext haben - manche Themen tragen sich durch unsere Familiensysteme hindurch. Ganz einfache Beispiele, die viele kennen, sind "nicht für sich einstehen dürfen", "nicht sprechen können", "keine Wut zeigen dürfen", "stark sein müssen", "für andere sorgen & da sein müssen", "sich unauffällig verhalten müssen", "brav sein und sich benehmen"....

Für den therapeutischen Prozess ist es letztendlich nicht entscheidend, mit welcher Form von Trauma wir es zu tun haben. Viel wichtiger sind die damit  verbundenen Körperwahrnehmungen, manchmal chronische Verspannungs- und Körperhaltungsmuster sowie innere Bilder und Assoziationen, die im therapeutischen Prozess auftauchen. 

Wie kann man therapeutisch mit transgenerationalem Trauma umgehen?

 

Manchmal haben wir das Gefühl, dass wir sehr mit unserem Familiensystem oder mit unserem Ahnennetz "verknotet" sind. Erst wenn dadurch ein Leidensdruck entsteht; das Gefühl, selbst "ausgeliefert" zu sein oder sich einfach nicht von bestimmten Dingen lösen zu können, kann es hilfreich sein, sich therapeutische Unterstützung zu suchen. Viele Menschen probieren dann erstmal eine Familienaufstellung aus - diese kann auch wichtige Erkenntisse bringen. Dennoch ist Vorsicht geboten. Nicht alle Familienaufstellungen werden traumasensibel gestaltet - und oft ist man im Anschluss an die Aufstellung nicht gut therapeutisch versorgt, um aufwühlende Themen, die hochgekommen sind, gut aufarbeiten zu können. Familienaufstellunen nutzen das Phänomen der "repräsentativen Wahrnehmung". Auch hier ist zu sagen, dass es nicht allen Menschen gleich gut  gelingt, sich darauf einzulassen oder die Wahrnehmungen der Personen im Feld zu spüren. Je nachdem, wie gut man mit sich selbst und den eigenen Gefühlen verbunden ist oder wie groß vielleicht auch der eigene Schutzschirm ist, kann es auch sein, dass man erstmal "nichts" wahrnimmt und daran ist nichts falsch. Am Ende ist eine Familienaufstellung aber auch zum Teil eine Inszinierung, eine Form der subjektiven Wahrheitsbeleuchtung, die im Außen stattfindet. Sie schlägt zwar Wellen ins Innen, indem sie Dinge ins Bewusstsein rückt, kann aber nicht unbedingt von alleine tiefe Themen, die auch auf körperlicher Ebene sitzen, lösen.

In meiner therapeutischen Praxis gibt es daher oft mehrere Möglichkeiten oder Schritte, je nachdem, an welchem Punkt in Deinem Prozess Du gerade stehst.

 

Manchmal ist es wichtig, erst stabilisierend und ressourcenstärkend zu arbeiten und das sogenannte "Containment" - das Halten eigener Emotionen zu fördern, bevor man in eine aufdeckende Arbeit geht, bei der auch tiefe Wunden und Verletzungen sichtbar werden.

 

Anschließend kann man behutsam vorgehen, indem Klient:innen zunächst Recherche im eigenen Familiensystem betreiben. Hierfür kann ich auf Wunsch Leitfragen an die Hand geben, die den Prozess unterstützen und ins Rollen bringen. Es ist dann möglich, Genogramme der Familienkonstellationen zu erstellen, Parallelen und Glaubenssätze bzw. ähnliche Muster im System herauszuarbeiten. Das wäre der vorsichtige, "rationale" Ansatz.

 

Alternativ können Klient:innen aber durch Körperarbeit direkt ins Spüren kommen. Hier arbeitet man meist im Liegen, damit ein besserer Zugang zum Unterbewusstsein hergestellt werden kann. Klient:innen konzentrieren sich dann auf Körperwahrnehmungen, die entstehen, auf Bereiche im Körper, die vielleicht schmerzen oder auf Bewegungsimpulse oder Bilder, die im Prozess hochkommen. Wenn man es nicht erlebt hat, kann man sich schwer vorstellen, dass jeder Körper und jeder Mensch eigentlich ganz genau den jeweiligen inneren Weg und Prozess kennen und dass sich der therapeutische Prozess dann von ganz alleine entwickelt - in meiner Präsenz als Gegenüber, der die hochkommenden Gefühle und den Raum halten kann. Es ist auch möglich, die Menschen aus der Familigeschichte mithilfe einer systemischen Einzelaufstellung in Form von Kärtchen oder Objekten im Raum (z.B. Kissen) aufzustellen und hier ins Spüren zu kommen. Im Anschluss ist es mir wichtig, das Erlebte mit Klient:innen gut zu integrieren, stabilisierend zu arbeiten und Menschen mit den Erkenntnissen nicht alleine zu lassen. Transgenerationales Trauma löst sich nicht in einer Sitzung. Oft können Veränderungsprozesse angestoßen werden, wenn wir uns in der Körperpsychotherapie auch körperlich von Dingen "lösen" können - oft geht es aber auch um eine gesunde Integration. Dinge können leichter werden, wenn wir erkennen, dass sie nicht zu uns in unserer eigenen Essenz gehören, sondern eine lange Geschichte und Ursprung in unserem Familiensystem haben und dass wir heute im Hier und Jetzt unser Leben anders und freier, vor allem selbstbestimmter gestalten können. Manchmal können wir auch durch den therapeutischen Prozess eine größere Verbundenheit und eine Art "Rückenwind" aus der eigenen Ahnenreihe spüren, der uns mehr Kraft und Energie für unsere jetzige Lebenssituation zur Verfügung stellt. 

Es gibt hier keine "Musterlösung" für die therapeutische Reise, da jeder Mensch ganz individuell ist und andere Zugänge und kreative Umgänge mit den eigenen Themen entwickelt hat. In jedem Fall begleite ich Dich gerne auf dieser Reise als präsentes Gegenüber, das den Raum hält und das sich offen auf Deinen individuellen Weg einlässt. Nimm gerne Kontakt zu mir auf, wenn Du weitere Fragen hast oder wenn Du das Gefühl hast, von transgenerationalem Trauma betroffen zu sein. 

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